Was Digitalisierung im Altersheim leistet
In den Einrichtungen der Martin Luther Stiftung Hanau verändert digitale Technik den Arbeitsalltag – und schafft neue Spielräume für persönliche Zuwendung.
Hanau – „So macht mir mein Beruf mehr Spaß.“ Anna Barbara Netzband schwärmt von ihrer Arbeit mit dem Care Table, einem überdimensionalen Tablet. Für die soziale Betreuung im Alten- und Pflegeheim St. Elisabeth nutzt sie ihn vielfältig: „In den Wohnbereichen bringen wir viele Gespräche in Gang, zum Beispiel über beliebte Schlager oder historische Filmkomödien. Oder die Bewohnenden wetteifern miteinander, wer die meisten Antworten im Quiz richtig hat.“ Der Bildschirm des Care Tables ist mit 90 x 60 Zentimetern so groß wie ein kleiner Couchtisch, so dass mehrere Personen gleichzeitig daran sitzen und spielen oder Familienfotos anschauen können.
Gemeinsam lachen
Für Netzband ist das Schönste: „Wenn man die Bewohnenden gemeinsam lachen hört.“ Auch allein nutzen viele das Gerät gern – zum Blättern im digitalen Prospekt, zum Puzzeln oder Zeitunglesen. „Neulich sagte eine Bewohnerin stolz zu ihren Angehörigen: ‚Ich bin jetzt auch am PC‘“, erzählt Netzband schmunzelnd. Manche älteren Menschen hätten zunächst etwas Scheu vor dem Gerät gehabt. „Aber wir sind ja immer dabei und wir schauen genau, welches Spiel oder welche Musik für wen am besten passt.“
Umstieg: Erstmal dauert alles länger
Auch in der Pflege selbst ist die Digitalisierung angekommen. In allen Pflegeeinrichtungen der Martin Luther Stiftung wird per Sprache dokumentiert – etwa Blutdruckwerte oder Trinkprotokolle. „Das geht jetzt viel leichter“, sagt Pflegefachkraft Ramona Salagean, „ich spreche alles einfach in das Diensthandy ein. Nach der Pflege bin ich dann auch gleich mit der Dokumentation fertig.“ Medikamente werden per Barcode eingescannt statt mühsam eingetippt.
Doch der Umstieg war nicht reibungslos. „Gerade bei Pflegekräften mit Akzent braucht das System ein paar Tage, bis es sie versteht“, sagt Einrichtungsleiterin Monika Holtschneider. Ähnliches erlebt auch Einrichtungsleiterin Marianne Dahinten. Sie leitet das Katharinenstift, das Wichernhaus und das Gustav-Adolf-Haus an der Martin-Luther-Anlage in Hanau sowie die Hausgemeinschaft auf der Aue. „Viele mussten ihre gewohnten Abläufe umstellen. Manche setzen sich lieber am Ende der Schicht mit einer Tasse Kaffee für die Dokumentation an den Rechner. Das ist – in einem oft hektischen Arbeitsalltag – der Moment, in Ruhe zu prüfen, ob man an alles gedacht hat. Jetzt wird immer wieder zwischendurch dokumentiert. Dann kommt auch schon mal Frust auf, denn ist es nicht immer einfach, mitten im Geschehen alles zeitnah zu dokumentieren und gleichzeitig die Privatsphäre der Bewohnenden zu achten.“
Mehr Zeit für Menschen
Beide Einrichtungsleiterinnen betonen: Technik ist dann sinnvoll, wenn sie, „mehr qualitative Zeit für Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse schafft“. Mit diesem Leitsatz der Martin Luther Stiftung Hanau prüft Dahinten sorgsam das Kosten-Nutzen-Verhältnis neuer Technologien, denn „unsere Bewohnenden brauchen vor allem persönliche Zuwendung“. Mit Blick auf ihre Mitarbeitenden sagt sie: „Menschen stellen ihre Arbeitsweise um, wenn die Veränderung ihnen nützt. Als Führungskraft ist es meine Aufgabe, alle Beteiligten gut abzuholen, ihnen den Nutzen zu zeigen und sie mitzunehmen.“
Dabei sei die Offenheit für Neues keine Frage des Alters, betonen Holtschneider und Dahinten. „Es gibt junge Mitarbeitende, die ungern digital dokumentieren – und ältere, die sich begeistert einarbeiten“, sagt Holtschneider, die am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn die Einführung der computergestützten Dokumentation erlebte. Für sie ist klar: „Wer neue Möglichkeiten nicht nutzt, bleibt stehen.“
Auch Angehörige werden einbezogen. „Wir haben Hinweisschilder aufgehängt, damit klar ist: Wenn Pflegekräfte ins Handy sprechen, arbeiten sie – sie daddeln nicht“, sagt Holtschneider.
Geborgen unter dem Sternenhimmel
Zur Lebensqualität tragen neue Technologien auch dann bei, wenn Menschen durch Worte schon kaum noch erreichbar sind. Netzband berichtet von einer bettlägerigen, dementen Bewohnerin, mit der sie regelmäßig Gottesdienste auf dem Care Table schaut. „Mit der vertrauten Liturgie und der Orgelmusik kommt sie zur Ruhe, das tut ihr gut.“ An der Martin-Luther-Anlage in Hanau kommt ein Projektor (Qwiek.up) zum Einsatz, der beispielsweise Konzertaufnahmen, beruhigende Naturbilder oder mitgebrachte Familienfotos an die Wand projiziert. Einrichtungsleiterin Dahinten sagt: „Wenn Menschen schwer krank sind oder im Sterben liegen, projizieren wir ihnen ein Blätterdach oder den Sternenhimmel an die Decke. Das schafft eine schöne und würdige Atmosphäre.“
Pressekontakt: Martin Luther Stiftung Hanau, Unternehmenskommunikation,
Ulrike Lerchner-Arnold, Telefon: 06181-29 02 1264, Mail: kommunikation@vmls.de; www.vmls.de




